Resolution Belarus

Am 13. Dezember 2023 hat der Bundestag das Einvernehmen zu der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 8. November 2023 zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und der Republik Moldau beschlossen.

Antrag der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP für ein demokratisches Belarus in der europäischen Familie

I. Der Deutsche Bundestag erklärt:
Der Deutsche Bundestag steht entschlossen an der Seite aller Menschen, die sich für
Demokratie und Menschenrechte, Freiheit, Selbstbestimmung und faire Wahlen in Belarus einsetzen. Unsere Solidarität mit der belarusischen Demokratiebewegung ist ungebrochen. Den vielen belarusischen Freiheitskämpferinnen und Freiheitskämpfern, die für das Ziel eines demokratischen Belarus persönlich einen sehr hohen Preis zahlen, gelten die Anerkennung und Unterstützung der Mitglieder des Bundestages.
Der Deutsche Bundestag gedenkt der Opfer des belarusischen Regimes, die während der Proteste infolge der gefälschten Präsidentschaftswahlen im Sommer 2020 durch den Einsatz staatlicher Gewalt oder als politische Gefangene in belarusischer Haft unter menschenunwürdigen Bedingungen ums Leben kamen. Unser aufrichtig empfundenes Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen. Die Mitglieder des Bundestages wissen um den tiefen Schmerz, den viele Belarusinnen und Belarusen durch das Regime erleiden.
Der Deutsche Bundestag solidarisiert sich mit allen politischen Gefangenen in Belarus. Ihre Freilassung hat höchste Priorität. Der Einsatz für Freiheit, Menschenwürde und Demokratie ist kein Verbrechen, sondern Menschenrecht. Mit über 100 parlamentarischen Patenschaften tragen die Mitglieder des Bundestages dazu bei, fortwährend auf die verheerende Situation für politische Gefangene aufmerksam zu machen und sie nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Mit der Gründung einer Freundschaftsgruppe „Demokratisches Belarus“ wurde im Bundestag zudem ein Forum geschaffen, um sich
regelmäßig mit der belarusischen Demokratiebewegung über die Zukunft des Landes auszutauschen.
Deutschlands Geschichte und Rolle in Europa verpflichten uns, die Demokratie- und Freiheitsbewegungen auf unserem Kontinent nach Kräften und Möglichkeiten zu unterstützen.
Mit dem völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wurde erneut deutlich, dass autokratische Regime eine unmittelbare Bedrohung für Frieden, Sicherheit und Stabilität unserer regelbasierten europäischen Friedensordnung sind. Es liegt deshalb auch in unserem eigenen Interesse, die demokratischen Kräfte in unserer europäischen Nachbarschaft zu stärken.

II. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Präsidentschaftswahlen in Belarus am 9. August 2020 waren massiv gefälscht. Sie waren weder frei noch fair und entsprachen in keiner Weise dem Standard demokratischer Wahlen. Zuvor hatte Diktator Lukaschenka eine internationale Wahlbeobachtung durch die OSZE bewusst hintertrieben. Aus diesen Wahlen erwächst Aljaksandr Lukaschenka keinerlei Legitimität. Zu Recht haben die EU-Mitgliedstaaten das Wahlergebnis nicht anerkannt.
Seit dem Sommer 2020 geht das belarusische Regime mit einer präzedenzlosen Repressionswelle gegen die Bevölkerung vor. Die friedlichen Proteste rund um die gefälschten Präsidentschaftswahlen wurden brutal niedergeschlagen. Zehntausende wurden willkürlich verhaftet, Tausende in Schauprozessen verurteilt. Zivilgesellschaftliche Organisationen und unabhängige Gewerkschaften wurden zwangsaufgelöst, unabhängige Medien sowie nationale und internationale Kultureinrichtungen geschlossen. Menschenrechts- und Demokratiearbeit wurde kriminalisiert, Anwältinnen und Anwälten die Lizenz entzogen, der Anwendungsbereich der Todesstrafe drastisch erweitert. Versammlungsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung existieren in der Praxis nicht.
Vertreterinnen und Vertreter der belarusischen Demokratiebewegung befinden sich entweder im Exil oder in Haft. Noch immer werden nahezu täglich Menschen aus politischen Gründen inhaftiert. Schätzungen sprechen aktuell von rund 1.500 politischen Gefangenen. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein. Der Friedensnobelpreisträger Ales Bialiatski wurde zu zehn Jahren Haft verurteilt, die nicht zugelassenen oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Siarhei Tsikhanouski und Viktor Babaryka zu 18 beziehungsweise 14 Jahren und eine der führenden Oppositionellen, Maryia Kalesnikava, zu elf Jahren Haft.
Die Haftbedingungen in belarusischen Gefängnissen und Straflagern sind menschen-verachtend: Misshandlung und Folter, darunter auch sexualisierte Gewalt, sowie wochenlange Isolationshaft in winzigen Zellen ohne Matratze, Decke, Bücher oder Kontakt zu Familie, Freundinnen und Freunden sind für viele grausamer Alltag. Selbst Kinder dürfen ihre Mütter und Väter oft nicht besuchen. Medizinische Versorgung findet nicht im notwendigen Umfang statt. Mehrere politische Gefangene sind bereits unter diesen menschenunwürdigen Haftbedingungen ums Leben gekommen. Immer wieder kommt es zu Selbstmordversuchen. Nicht selten fehlt über Monate jegliches Lebenszeichen von den Inhaftierten – für die Familien und Freundeskreise ein täglicher Albtraum. Oft werden Angehörige von Gefangenen bedroht und unter Druck gesetzt.
Ein Bericht des UN-Hochkommissars für Menschenrechte bestätigte im Februar 2023 systematische, weit verbreitete und schwere Menschenrechtsverletzungen in Belarus, von denen einige Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen könnten. Ferner kommt ein Bericht der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), deren Mitglied Belarus ist, vom Mai 2023 zu dem Schluss, dass das belarusische Regime zahlreiche menschenrechtliche Verpflichtungen aus der humanitären Dimension der OSZE verletzt und sich ein Arsenal an verschärften Gesetzes- und Verfassungsänderungen geschaffen hat, um jegliche Form von Opposition zu verhindern.
Aljaksandr Lukaschenka und sein Regime haben im Sommer 2020 eine Entscheidung getroffen, für die sie allein die Verantwortung tragen. Sie haben den eigenen Machterhalt gewaltsam über den Willen der Belarusinnen und Belarusen und die Zukunft des Landes gestellt. Anstatt eine demokratische Öffnung des Landes einzuleiten, hat das Lukaschenka-Regime Belarus bewusst in die Isolation geführt und damit politisch, wirtschaftlich und finanziell noch stärker vom Kreml abhängig gemacht.
Belarus ist Stützpunkt und Aufmarschgebiet für die russische Armee im völkerrechts-widrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine: Am 24. Februar 2022 haben russische Truppen auch aus Belarus die Ukraine angegriffen. Wiederholt wurden russische Raketen von Belarus aus auf ukrainisches Territorium abgefeuert. Die erklärte Stationierung von taktischen Atomwaffen zeigt, wie sehr sich Diktator Lukaschenka auch weiterhin zum Handlanger von Wladimir Putin macht. Das belarusische Regime beteiligt sich darüber hinaus nachweislich an einem der abscheulichsten Kriegsverbrechen Russlands – der Deportation ukrainischer Kinder.
In der belarusischen Bevölkerung gibt es keine mehrheitliche Unterstützung für den russischen Angriffskrieg. Dass es zudem auch aktiven Widerstand gegen die Handlun-gen des Regimes gibt, davon zeugen zum Beispiel einzelne mutige Aktionen, um Nachschubwege für die russische Armee zu sabotieren. In der ukrainischen Armee kämpfen zudem viele belarusische Freiwillige. Sie sind überzeugt: Nur mit einer freien Ukraine ist auch ein freies Belarus möglich. Im Exil haben sich die demokratischen Kräfte aus Belarus mit den Ukrainerinnen und Ukrainern solidarisiert.
Diese Solidarität und der unermüdliche Einsatz der demokratischen Zivilgesellschaft sowie des „Vereinigten Übergangskabinetts“, die in Opposition zu Diktator Lukaschenka stehen, zeigen deutlich, dass eine Alternative zum diktatorischen Regime in Belarus möglich und die starke und vielfältige belarusische Gesellschaft nicht mit dem Regime gleichzusetzen ist. Der Deutsche Bundestag steht fest an der Seite der gesamten belarusischen Demokratiebewegung, Sviatlana Tsikhanouskayas und des von ihr geleiteten „Vereinigten Übergangskabinetts“. Die Mitglieder des Bundestages sind dankbar für ihren Mut, ihre Stärke, ihre Resilienz und ihren Kampf für europäische Werte.
Die Europäische Union ist zum größten Zufluchtsort für die belarusische Demokratiebewegung im Exil geworden. Vor allem Litauen und Polen verdienen große Anerkennung für ihre vorbildhaft schnelle, unbürokratische und umfassende Hilfsbereitschaft. Die Europäische Union und die belarusische Demokratiebewegung einen die gleichen Werte: Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.
Alle Belarusinnen und Belarusen sollen wissen: Ein perspektivisch freies und demokratisches Belarus wird in der europäischen Staatenfamilie willkommen sein.

III. Der Deutsche Bundestag verurteilt aufs Schärfste

• den völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Unterstützung des belarusischen Regimes für diesen eklatanten Bruch des internationalen Völkerrechts und die damit einhergehenden schwerwiegenden Verletzungen des humanitären Völkerrechts;
• das brutale Vorgehen des belarusischen Regimes gegen die eigene Bevölkerung und die erbarmungslose Verfolgung der belarusischen Demokratiebewegung;
• alle Fälle von Mord an Regimekritikern, Verschleppungen, politisch motivierten Verhaftungen und Verurteilungen, von Folter und sexualisierter Gewalt;
• die unrechtmäßige Inhaftierung von politischen Gefangenen, die gezielte Zermürbung ihres familiären und freundschaftlichen Umfeldes und die unmenschlichen Haftbedingungen.
Der Bundestag fordert das belarusische Regime auf, jegliche Repression zu stoppen, alle politischen Gefangenen freizulassen, freie und faire Wahlen unter Wahlbeobachtung der OSZE zu ermöglichen und die Unterstützung für den völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine sofort zu beenden.

IV. Der Deutsche Bundestag begrüßt

• die auf europäischer Ebene bislang gegen Belarus beschlossenen restriktiven Maß-nahmen – sowohl die personenbezogenen Sanktionen gegen Diktator Lukaschenka und Teile des belarusischen Repressionsapparats als auch die sektoralen Wirtschaftssanktionen;
• die auf EU-Ebene eingerichtete Konsultationsgruppe mit der belarusischen Demokratiebewegung sowie die zur Verfügung gestellten Mittel zur Förderung der belarusischen Zivilgesellschaft und unabhängiger Medien;
• das von der Europäischen Union für den Fall einer demokratischen Transition in Aussicht gestellte Investitionspaket zur wirtschaftlichen Unterstützung eines demokratischen Belarus;
• die Weiterentwicklung eines eigenständigen digitalen Programmangebots der Deutschen Welle für Belarus, das im Herbst 2020 gestartet wurde und seitdem erfolgreich Menschen in Belarus und im Exil erreicht und in Dialog bringt;
• die bisherige und laufende Unterstützung der Bundesregierung für die belarusische Demokratiebewegung, unter anderem durch

  • die Förderung zivilgesellschaftlicher Projekte im Rahmen des Programms „Ausbau der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft in den Ländern der Östlichen Partnerschaft und Russland“ sowie die Förderung freier Gewerkschaften;
  • den Beitrag zum European Endowment for Democracy;
  • die Förderung der International Accountability Platform for Belarus zur Sammlung und Sicherung von Beweisen für schwerste Menschenrechtsverletzungen;
  • die Förderung medizinischer und psychologischer Unterstützung für von Repressionen betroffene Menschen;
  • verschiedene Stipendienprogramme, die unter anderem auch für Menschen aus Belarus zugänglich sind, wie die Hannah-Arendt-Initiative für Medien-schaffende im Exil, die Elisabeth-Selbert-Initiative für Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger, die Martin-Roth-Initiative für Kunst- und Kulturschaffende, die Philipp-Schwartz-Initiative für Forschende und das Hilde-Domin-Programm für Studierende;
  • die Förderung des European Fund for Journalism in Exile (JX Fund) und dadurch von „Reporter ohne Grenzen“, der Schöpflin Stiftung und der Rudolf-Augstein-Stiftung zur Unterstützung von Exil-Medien sowie gefährdeten Journalistinnen und Journalisten, auch aus Belarus;
  • die Unterstützung der Büros der deutschen politischen Stiftungen, die Kontakte nach Belarus aufrechterhalten;
  • die Förderung des Nothilfe-Büros von Science-at-Risk des Akademischen Netzwerks Osteuropa e. V. zur Unterstützung von politisch verfolgten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern;
  • die Fortführung der Aufnahme politisch verfolgter Menschen aus Belarus nach § 22 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes.

V. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung unter Einhaltung der haus-hälterischen Vorgaben auf,
• sich auf europäischer Ebene

    • auch weiterhin für personenbezogene Sanktionen gegen den belarusischen Sicherheits- und Geheimdienstapparat sowie gegen alle Richterinnen und Richter einzusetzen, die für die Willkürurteile gegen politische Gefangene verantwortlich sind;
    • für weitere wirtschaftsbezogene Sektorsanktionen einzusetzen, die die Finanzierungsstrukturen des belarusischen Regimes treffen, eventuell bestehende Schlupflöcher im Sanktionsregime wirksam zu schließen sowie im Falle einer Debatte um Sanktionserleichterungen dieser entschieden entgegenzutreten, denn eine Rücknahme von Sanktionen kann grundsätzlich nur dann er-folgen, wenn die schwerwiegenden und zahlreichen Gründe, die zur Verhängung der Sanktionen führten, nicht mehr bestehen;
    • für einen intensiven Dialog im Rahmen der EU-Konsultationsgruppe mit den demokratischen Kräften aus Belarus einzusetzen mit dem Ziel, gemeinsame Strategien zu entwickeln und die Unterstützungsbedarfe regelmäßig abfragen und anpassen zu können;
    • für die Integration der belarusischen Zivilgesellschaft und demokratischer Kräfte in das Programm der Östlichen Partnerschaft der EU einzusetzen, das vom Europäischen Auswärtigen Dienst gegenwärtig angepasst wird; auf die Zukunft von Belarus als freies und demokratisches Land vorzubereiten und zu signalisieren, dass ein demokratisches Belarus in der europäischen Wertegemeinschaft willkommen ist;

• sich für den Erhalt der staatlichen Souveränität sowie der Kultur und Sprache von Belarus einzusetzen und gegenüber Russland unmissverständlich klarzumachen, dass die seitens des Kremls forcierte schleichende Übernahme von Belarus unter Mitwirkung von Aljaksandr Lukaschenka absolut inakzeptabel ist und aufs Schärfste zurückgewiesen wird. Unsere östlichen Nachbarn sind und bleiben un-abhängige und souveräne Staaten, die über ihre Zukunft selbst entscheiden und nie wieder zum Objekt imperialistischer Träume und Interessen werden dürfen;
• sich unnachgiebig für die Freilassung aller politischen Gefangenen, für faire und freie Neuwahlen unter Beobachtung der OSZE und für ein unverzügliches Ende von Gewalt und Folter einzusetzen;
• die Unterstützung für die demokratischen Kräfte fortzusetzen und weiter auszu-bauen;
• unabhängige Medien und freie Journalistinnen und Journalisten, Menschenrechts-verteidigerinnen und -verteidiger, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Kulturschaffende, Spitzensportlerinnen und -sportler im Exil, Studierende und Gewerkschaftsaktive, digitale Community-Projekte sowie von Repression be-troffene Menschen fortlaufend und verstärkt zu unterstützen. Dafür sollten die be-stehenden Förder- und Stipendienprogramme der unterschiedlichen Ministerien und Ämter genutzt, aber auch alternative Fördermöglichkeiten für Einzelfälle oder herausragende zivilgesellschaftliche Projekte ausgeschöpft werden;
• die Aufnahme politisch verfolgter Menschen aus Belarus nach § 22 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes fortzuführen;
• ehemalige politische Gefangene nach deren Freilassung verstärkt und umfassend zu unterstützen. Ihnen sollte bei fortdauernder Gefährdung durch das Luka-schenka-Regime unter anderem die Aufnahme in Deutschland nach § 22 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes ermöglicht sowie medizinische und psychosoziale Hilfe angeboten werden. Konkretere Ideen sollten gemeinsam mit der belarusischen Zi-vilgesellschaft entwickelt werden, auch dahingehend, wie die Familien von politischen Gefangenen stärker unterstützt werden können;
• die Sammlung von Beweisen für schwerste Menschenrechtsverletzungen weiter-hin zu unterstützen und sich dafür einzusetzen, dass die Täter und Täterinnen so-wie die politisch Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden. Auch die Unter-stützung des belarusischen Regimes bei den erzwungenen Deportationen ukraini-scher Kinder nach Russland und Belarus muss gerichtlich aufgearbeitet werden, damit die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden können;
• im Rahmen des Programms „Ausbau der Zusammenarbeit mit der Zivilgesell-schaft in den Ländern der Östlichen Partnerschaft und Russland“ auch zukünftig Projekte der demokratischen belarusischen Zivilgesellschaft zu fördern. Dabei sollten weiterhin auch explizit Projekte der belarusischen Diaspora und Zivilge-sellschaft im Exil gefördert werden;
• das Antrags- und Entscheidungsverfahren des Programms für den „Ausbau der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft in den Ländern der Östlichen Partner-schaft und Russland“ unter anderem dahingehend zu verbessern, dass Fördermittel möglichst früh im Jahr an die zivilgesellschaftlichen Partnerinnen und Partner aus-gezahlt werden können und bei besonderen Ereignissen eine flexiblere Mittelbe-antragung ermöglicht wird;
• die herausragende zivilgesellschaftliche Arbeit von Vereinen wie RAZAM e. V., Libereco – Partnership for Human Rights e. V. oder das Nothilfe-Büro von Sci-ence-at-Risk des Akademischen Netzwerks Osteuropa e. V. (AKNO) weiterhin zu unterstützen, damit es auch zukünftig in Deutschland Anlaufstellen für politisch verfolgte Menschen aus Belarus gibt und verstärkt über die Situation in Belarus aufgeklärt und informiert werden kann;
• gegenüber den für das Aufenthaltsrecht zuständigen Ministerien und Senatsver-waltungen der Länder stärker über die aktuelle Menschenrechtssituation in Bela-rus aufzuklären und auf die unterschiedlichen aufenthaltsrechtlichen Möglichkei-ten, vor allem für regimekritische Kultur- und Medienschaffende, im Rahmen des geltenden Rechts hinzuweisen. Vorbild sollte hierfür das Schreiben des Bundes-innenministeriums vom 20. Juni 2022 (M3AG-21000/33#14) sein, welches über aufenthaltsrechtliche Optionen für regimekritische Kultur- und Medienschaffende aus Russland informierte;
• deutsche Auslandsvertretungen in Drittstaaten wie beispielsweise Georgien oder Moldau für Anträge auf Visa nach § 22 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes von poli-tisch verfolgten Belarusinnen und Belarusen weiter zu sensibilisieren;
• darauf hinzuweisen, dass die Anwendung von § 24 des Aufenthaltsgesetzes i. V. m. Artikel 2 Absatz 3 des Durchführungsbeschlusses (EU) 2022/382 des Ra-tes vom 4. März 2022 zur „Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine im Sinne des Artikels 5 der Richtlinie 2001/55/EG und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes“ auch bei politisch verfolg-ten belarusischen Staatsangehörigen geprüft werden sollte, die sich am 24.02.2022 in der Ukraine aufgehalten und dort von der Möglichkeit eines visumfreien Auf-enthalts bzw. einer zeitlich beschränkten Niederlassungserlaubnis Gebrauch ge-macht haben sowie nicht sicher und dauerhaft nach Belarus zurückkehren können;
•„Reiseausweise für Ausländer“ nach der Aufenthaltsverordnung an belarusische Staatsangehörige auszustellen, die in Belarus politisch verfolgt sind. Ihnen war bereits seit Sommer 2020 eine Kooperation mit der belarusischen Botschaft in Deutschland nicht mehr zumutbar, da dadurch zum einen der eigene Schutzaufent-halt bekannt werden und zum anderen Familienangehörige in Belarus in Gefahr geraten konnten. Mit dem Dekret von Diktator Lukaschenka vom 07.09.2023, im Ausland lebenden Belarusinnen und Belarusen an Auslandsvertretungen u. a. keine Reisepässe mehr auszustellen, hat sich die Lage für Exil-Belarusinnen und -Belarusen massiv verschärft, weswegen in Deutschland und EU-weit schnellst-möglich eine Lösung in dieser Frage gefunden werden muss.
Dr. Rolf Mützenich und Fraktion
Katharina Dröge, Britta Haßelmann und Fraktion
Christian Dürr und Fraktion

Deutscher Bundestag – 20. Wahlperiode – 7 – Drucksache 20/9146

Antrag (deutsch)
Antrag (englisch)
Antrag (belarusisch)